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Soziales Korsett

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    Soziales Korsett

    Hallo zusammen

    Dies ist ein neuer Faden, der sich aus dem hier ergeben hat.


    Wie steht es um den eigenen Wunsch, aus der Leistungsgesellschaft auszubrechen?

    Zitat von Tintenweberin Beitrag anzeigen
    Aua...!

    Das trifft den Nagel bei mir ziemlich genau auf den Kopf. Wenn ich ehrlich bin, würde ich schon gerne mal ein bisschen "auser" steigen, aber statt dessen muss ich feststellen, dass ich von Jahr zu Jahr tiefer hinein gerate... - Mein Leben wird auf der einen Seite immer anstrengender (zu uns kommen inzwischen nur noch die schwierigsten Kinder) und auf der anderen Seite so teuer (Energiepreise, Lebensmittel, Handwerker...) dass ich mir meine kleinen Auszeiten (Seminare oder Urlaubswochenenden) kaum noch leisten kann.

    Mit dem Ausbrechen meine ich nicht nur den "grossen" Ausstieg, sondern auch unser Verhalten in ganz alltäglichen, kleinen Dingen.

    Was hält uns z.B. davon ab, im Treppenhaus zu singen, Purzelbäume zu schlagen auf der Wiese oder mit Gummistiefeln in die grösste Pfütze zu springen?
    Wieso ist es Erwachsenen nur dann "gestattet", Papierschiffchen im See loszulassen, wenn kleine Kinder dabei sind?


    Unser soziales Korsett ist enorm eng!


    Serafin

    #2
    Zitat von Serafin Beitrag anzeigen
    Hallo zusammen

    Dies ist ein neuer Faden, der sich aus dem hier ergeben hat.


    Wie steht es um den eigenen Wunsch, aus der Leistungsgesellschaft auszubrechen?




    Mit dem Ausbrechen meine ich nicht nur den "grossen" Ausstieg, sondern auch unser Verhalten in ganz alltäglichen, kleinen Dingen.

    Was hält uns z.B. davon ab, im Treppenhaus zu singen, Purzelbäume zu schlagen auf der Wiese oder mit Gummistiefeln in die grösste Pfütze zu springen?
    Wieso ist es Erwachsenen nur dann "gestattet", Papierschiffchen im See loszulassen, wenn kleine Kinder dabei sind?


    Unser soziales Korsett ist enorm eng!


    Serafin
    Tust du das nicht? Wir machen das, sowohl mein Mann als auch ich. Das mit den Purzelbäumen weniger, weil unsere Knochen hinüber sind, aber sonst...
    Ist das so was Besonderes?

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      #3
      Zitat von Mensch Beitrag anzeigen
      Tust du das nicht?
      Doch, und laufe deshalb manchmal Gefahr, als exzentrisch abgestempelt zu werden.

      Klar braucht es für ein Zusammenleben in einer Gesellschaft Spielregeln. Und dort wo andere Menschen tangiert werden, kann sich der Einzelne nicht alle Freiheiten herausnehmen.
      Doch es gibt ganz viele Situationen, wo wir und tierisch aufregen können, weil sich jemand nicht an die ungeschriebenen Gesetze hält, obwohl es uns gar nicht betrifft.

      • Z.B. wenn jemand an einem Sonntag draussen Wäsche aufhängt, ist das eine absolute Todsünde! Dabei könnte uns das eigentlich völlig egal sein.

      • Oder wenn jemand seit Tagen mit einem verdreckten Wagen herumfährt. Ui, wo kämen wir denn da hin, wenn das jeder täte? Dann würden ja die Auto-Waschanlagen Konkurs gehen!

      Oder ein anderes Beispiel. Auf meinem Spaziergang nehme ich jeweils eine Abkürzung dem Waldrand entlang. Vielen Leuten ist das total suspekt, den Offroad zu gehen ist nur legitim, wenn man folgendes dabei hat:

      1. Einen Hund
      2. Ein Fotostativ oder Fernrohr. (Feldstecher ist bereits verdächtig!)
      3. Eine Kettensäge
      4. Oder Kinder. Aber mindestens 2!

      In allen anderen Fällen kann es vorkommen, dass die "verdächtige" Person sofort mit dem Handy der Polizei gemeldet wird. Denn sie könnte ja soeben eine Leiche verbuddelt haben im Wald oder Banknoten vom letzten Überfall. Oder noch schlimmer, ein Sittenstrolch, der auf der angrenzenden Blumenkohl-Plantage unschuldigen Omas auflauert! Und das bei -5°C!


      Serafin,
      der auch weiterhin diese Abkürzung benutzen wird. Auch ohne Vierbeiner.

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        #4
        Serafin, wo lebst Du denn?

        Hier in meiner Umgebung ist das alles vollkommen egal - oder sehe ich diese Einschränkungen nur nicht, weil ich nicht folgsam bin?

        Ich mache nicht mehr alles wie Kinder, dazu bin ich nicht mehr gelenkig genug, habe aber kein Problem damit, im Watt Priele umzuleiten, auf einer Wiese Kränze zu flechten, um die auf dem Kopf heimzutragen, singend durch den Wald zu streifen, abseits der Wege.
        Und wann ich wasche, saubermache, draussen fege lasse ich mir nicht vorschreiben.

        Und noch nie hat mich jemand deswegen angezeigt oder schief angesehen.........

        Gruss
        Anke

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          #5
          Ich bin auch überrascht von dem, was Du als "Soziales Korsett" wahrnimmst, Serafin.

          Ich kenne das hier und jetzt zumindest nicht.

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            #6
            Oder liegt es daran, dass Serafin in der Schweiz wohnt?

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              #7
              OT: Die "unanständige" Mensch-Frau lebt aber lieber anders. OT-Ende

              Serafin, ist es nicht eine Frage der Zivilcourage, sich so zu verhalten, wie es einem gut tut, vorausgesetzt, man schadet niemandem?
              Würden das mehr Leute tun, fiele es wohl gar nicht mehr auf.
              Warum soll ich darauf Rücksicht nehmen, was andere denken?
              Mein Mann und ich sind gewohnt, uns vor dem Essen mit einem Kuss 'guten Appetit' zu wünschen. Das halten wir auch im Restaurant so.
              Da wird von den Umsitzenden zwar manchmal geschmunzelt, aber als störend wird es offenbar nicht empfunden.
              Und die Polizei hat auch noch niemand gerufen, wenn wir bei offenstehender Terrassentür im Haus lauten Blödsinn getrieben haben.
              Kann natürlich damit zusammenhängen, dass man sich bereits daran gewöhnt hat und sich sagt: Da wohnen die beiden Verrückten!

              Womit sich der alte Spruch mal wieder bewahrheitet:
              Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert!

              Ungenierte Grüße von der Mensch-Frau

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                #8
                Zitat von Serafin Beitrag anzeigen
                Doch, und laufe deshalb manchmal Gefahr, als exzentrisch abgestempelt zu werden.
                Und was ist nun daran schlimm?

                In der Stadt wärst Du jedenfalls deswegen noch nicht extrentisch. Und wenn Du in einer Stadt wohnst, dann frag ich mich aber auch, was ist denn das für eine Stadt?

                lg Anna

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                  #9
                  Vielen Dank für eure Rückmeldungen!

                  @Mensch: Zivilcourage finde ich auch ganz wichtig und hilft, solche Blockaden aufzubrechen.

                  Die angeführten Beispiele sind natürlich bewusst etwas plakativ formuliert.
                  Doch es stimmt schon, dass in der Schweiz das "Regelwerk" sehr eng ist. Das bekommen vor allem zugewanderte Ausländer schmerzhaft zu spüren, oder Globetrotter, die nach langer Zeit wieder zurückkommen.
                  Wahrscheinlich hängt das schon auch mit den Platzverhältnissen zusammen und das schweizer Mittelland ist leider ziemlich dicht bebaut.

                  Andererseits sind ja leider auch die Deutschen als Oberlehrer berüchtigt.
                  Sei es im Strassenverkehr oder rund um sein Häusle.
                  Auch beim Thema Sozialschmarozer gehen ja die Emotionen hoch, wie der Faden zeigt, aus dem dieses Thema hervorgegangen ist.

                  Interessanterweise scheint dabei jeder seine ganz eigenen Themen zu haben. So kann man locker, sachlich und souverän über gewisse Dinge diskutieren, über die sich andere tierisch aufregen.

                  Doch wehe es wird ein eigener wunder Punkt angetippt! Da werden sämtliche Kräfte mobilisiert und der vermeindliche Missetäter bekommt den ganzen heiligen Zorn zu spüren und man lässt nichts unversucht, dem Abweichler seine eigene Meinung aufzuzwingen!
                  Ein Verhalten, das rational gesehen nicht mehr viel mit dem eigentlichen Auslöser zu tun hat.

                  @ Anna: Von da her spielt es eben schon eine Rolle, ob man mitspielt oder nicht.

                  Ich frage mich jedenfalls: Hat das nicht viel mit eigenen Wünschen und Sehnsüchten zu tun, die wir in uns selber unterdrücken, und deshalb auch bei anderen nicht tolerieren können?

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                    #10
                    Mooie: das liest sich recht schön.
                    Wenn schon die Schweizer entspannter werden, gibt es in Deutschland sicherlich auch noch Hoffnung.

                    Serafin: leider sieht es bei mir da auch nicht besser aus.
                    Vor allem mit den Hunden. Wirst auch in Deutschland schon blöd angeschaut, wenn du ohne "Begleitung" mal abseits der Hauptstraße unterwegs bist.

                    Mir macht das jedoch nix aus und ich fahre auch nicht durch die Waschanlage, nur weil andere meinen, das es dringen mal nötig wäre.
                    Die Wäsche wird auch sonntags aufgehängt.
                    Wann sonst hätte ich die Zeit dafür?

                    Meiner Meinung nach gibt es viel zu viele Verordnungen.
                    Es ist mittlerweile wirklich jede Kleinigkeit geregelt.
                    Führt schon soweit, dass der Hahn nur zwischen 5:45 und 6:05 Uhr krähen darf - sonst kommt die Anzeige.

                    Ich glaube, es ist viel schöner, freiwillig aufeinander etwas Rücksicht zu nehmen, die Anderen so zu lassen wie sie sind und selber zu tun, was einem gefällt.

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                      #11
                      Ich weiß auch nicht, warum das Auto geputzt sein muss, allerdings ist es für uns auch ein Gebrauchsgegenstand und kein Statussymbol. daran mags wohl liegen.

                      Aber mal abgesehen davon, eine Gesellschaft verändert sich doch auch,egal wo.
                      Wenn ich mir mal überlege, was vor 40 Jahren noch als verpönt (nicht verboten!) galt und was heute gang und gäbe ist...
                      Nicht ,dass ich alles unbedingt als Verbesserung ansehe, aber die "Sitten" und die Zeiten ändern sich halt.
                      Die Verhaltensweise, die du heute an den Tag legst, Serafin, und die von deiner Umgebung als exzentrisch angesehen wird, ist vielleicht in einigen Jahren bereits das absolute "Muss".
                      Insofern: Locker sehen, das ganze...

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                        #12
                        Zitat von Mensch Beitrag anzeigen
                        Die Verhaltensweise, die du heute an den Tag legst, Serafin, und die von deiner Umgebung als exzentrisch angesehen wird, ist vielleicht in einigen Jahren bereits das absolute "Muss".

                        Danke Mensch!
                        Dann werde ich mir wieder etwas neues ausdenken, um nicht im Mainstream mitschwimmen zu müssen.

                        @tpuchert: Das finde ich auch. Rücksicht ist tatsächlich eine ganz wichtige Zutat im Leben.

                        @mooie: Sind die Holländer tatsächlich so viel unverkrampfter, oder gelten dort einfach andere Regeln, die dir halt einfach viel vertrauter waren?

                        @Kermit: Danke! Gut auf den Punkt gebracht!

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                          #13
                          Diese rigide bürgerliche Welt, wie sie zum Beispiel in Loriot-Sketchen dargestellt wird, gibt es doch gar nicht mehr. Über die Schweiz kann ich jetzt nicht urteilen, aber in Deutschland hat sich das große Laissez-faire ausgebreitet. Die Sozialkontrollen sind doch ziemlich weggefallen.

                          Wenn man sieht, welche Intimitäten sich Leute in Talkshows gegenseitig ins Gesicht schleudern, wie sich "ganz normale" Leute mittleren Alters in Swinger-Clubs von Privatfernsehteams filmen lassen und Nacktfotos von sich ins Internet stellen, dann kann ich einfach nicht zustimmen, dass man als Privatmensch nicht machen kann, was man will.

                          Ein bisschen bedauere ich das Sterben der guten alten verklemmten Loriot-Welt. Sie war doch ganz charmant. Natürlich hat sie auch zu Neurosen geführt, aber eine Welt, in der sich Elfjährige Pornos auf ihr Handy laden können, führt doch meines Erachtens zu schlimmeren seelischen Störungen. Hoffentlich ist das jetzt nicht off-topic!

                          Bei mir persönlich ist es so, dass die soziale Kontrolle davon ausgeht, dass ich Lehrerin bin und hunderten und tausenden von Schülern bekannt bin. So bin ich in meiner freien Entfaltung doch etwas eingeschränkt. Ich würde gerne einige Sachen machen, die ich mich nicht traue, aus Angst, dass sich das in der Schule herumspricht. Wenn ich einen anderen Beruf hätte, hätte ich meiner Meinung nach keine übermäßige soziale Kontrolle zu befürchten.

                          Manchmal ist das Gegenteil von "sozialer Kontrolle" auch "unterlassene Hilfeleistung", zum Beispiel, wenn es darum geht, dass man ein Kind schreien hört und nicht eingreift, weil man denkt "ach, was geht mich das an", oder nicht hilft, wenn jemand auf der Straße überfallen wird. Ich glaube, dass die Hilfsbereitschaft früher größer war. Man hat aber den Leuten so lange eingeredet, sich einmischen entspringe einer "Blockwartmentalität" (welches Totschlagargument!), dass sie sich überhaupt nicht mehr trauen, etwas zu sagen, wenn ganz eindeutig etwas vorgeht, wogegen man vorgehen muss.

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                            #14
                            Zitat von Serafin Beitrag anzeigen

                            @mooie: Sind die Holländer tatsächlich so viel unverkrampfter, oder gelten dort einfach andere Regeln, die dir halt einfach viel vertrauter waren?
                            Serafin, Du hast zwar Mooie gefragt, aber vielleicht darf ich auch antworten?
                            Ob "die Holländer" unverkrampfter sind, weiss ich nicht, ich kenne jedenfalls einige Niederländer und bin auch schon sehr oft dort gewesen. Und mir ist immer wieder aufgefallen, dass dort sehr viel mehr Toleranz gegenüber "andersartigen" Menschen gilt. Ich weiss nicht, wie ich es sonst nennen soll, aber in Deutschland wird sehr oft verstärkt auf das Äussere geachtet (wir hatten hier doch auch schon diese Diskussion über Schönheit), in den Niederlanden sowie in den skandinavischen Ländern wird darauf nicht so viel gegeben. Dort darf jede(r) so aussehen und sich bewegen wie er möchte. Das habe ich jedenfalls so erlebt.

                            In Deutschland braucht man eine viel grössere Portion Selbstbewusstsein dafür. Vielleicht auch in der Schweiz?

                            Gruss
                            Anke

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                              #15
                              Alles wegen die Leut ...

                              Ich kann nicht bestätigen, dass in der "Stadt" mehr Toleranz geübt wird. Schon einzelne Stadtteile differieren da sehr in ihrer Kontrollstruktur.

                              Ich kenne Stadtteile in Hannover, da wirst Du schon schief angeschaut, wenn Du NICHT in schwarzen Klamotten rumläufst ... und andere, in denen würde bei einem kuttentragenden Werbezettelausträger sofort zum Handy gegriffen, um die Polizei zu alarmieren.

                              Ich selbst habe das soziale Korsett in der Stadt in der ich wohne sehr schmerzhaft zu spüren bekommen. Eine zeitlang habe ich mich bemüht mich den "Gepflogenheiten" anzupassen, v.a. um meinen Sohn zu schützen. Jetzt lebe ich wieder ganz ungeniert meinen Stiefel und es ist mir schnurz, ob die Leut' mich "anders" finden. Weniger schön ist, dass mein Sohn ob der "Andersartigkeit" seiner Eltern immer wieder "rausgestellt" wurde und sowohl im Kindergarten- als auch im Schulkontext immer wieder gemobbt wurde. Dieses Mobbing (nicht das Anderssein) hatte dann einen Rattenschwanz von psychosomatischen Störungen nach sich gezogen. Inzwischen ist auch er in seinem "Anderssein" so etabliert, dass er nicht mehr dauerhaft, sondern nur noch in einzelnen Situationen, darunter leidet.

                              Was ich zum Kotzen finde ist, dass die Eltern meiner Generation immer noch "mit einem Kind aus so einer Familie spielt man nicht" in ihrer Denke haben. Das ist mir wirklich unbegreiflich.

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